Das TSK-Projekt ist eine dreiköpfige Forschungsgruppe an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Das Forschungsprojekt wird in Kooperation mit dem Max Planck Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg durchgeführt und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Emmy-Noether-Programms gefördert. Im Verlauf des Projekts wurden drei Konferenzen abgehalten sowie zahlreiche Publikationen als Ergebnisse veröffentlicht. Insbesondere sind dabei zu nennen: Anuscheh Farahats Analyse "Transnationale Solidaritätskonflikte" (2021), die Zusammenarbeit "Constesting Austerity" (2021) mit Xabier Arzoz und der geplante Band von Farahat/Hildebrand/Violante "Transnational Solidarity in Crisis" (in Planung für 2024).
Projektlaufzeit: 2017 bis 2024.
Der Handlungsspielraum nationaler Gesetzgeber in sozioökonomischen Verteilungsfragen ist durch unionsrechtliche Vorgaben zunehmend eingeschränkt. Darüber hinaus sorgen wechselseitige politische und ökonomische Abhängigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten der EU dafür, dass Verteilungsentscheidungen nur noch schwer allein auf nationaler Ebene getroffen werden können. Besonders deutlich zeigt sich dies seit dem Beginn der Euro-Krise im Jahr 2008. Die Verfolgung gemeinsamer politischer und ökonomischer Ziele auf supranationaler Ebene führt zu einer ungleichen Verteilung von Kosten und Nutzen zwischen den Mitgliedstaaten. Dies führt zu politischen und rechtlichen Konflikten über die gerechte Verteilung von Kosten und Nutzen der Integration in der EU. Verteilungsentscheidungen werden innerhalb der EU, insbesondere seit der Euro-Krise, zunehmend von exekutiven Organen getroffen, während legislative Organe sowohl auf nationaler wie auf supranationaler Ebene nur begrenzte Handlungsmacht in Verteilungsfragen haben. Dies birgt die Gefahr des Verlusts politischer Inklusion jener Personengruppen, die von den Verteilungsentscheidungen negativ betroffen sind.
Die aus dieser Konstellation entstehenden Konflikte können als transnationale Solidaritätskonflikte (TSK) rekonstruiert werden. Sie haben sich in den vergangenen Jahren massiv intensiviert und zu einer Politisierung der EU geführt. Diese drückt sich darin aus, dass Auseinandersetzungen über transnationale Solidarität als Konflikte um politische Präferenzen in der EU sichtbar gemacht werden. Da eine Veränderung der politischen Richtungsentscheidungen auf supranationaler Ebene oftmals wenig erfolgversprechend erscheint, richtet sich der Veränderungswille in letzter Konsequenz oft gegen die EU selbst. Deshalb bergen diese Konflikte die Gefahr, den Fortbestand der Europäischen Integration in Frage zu stellen.
Aus konflikttheoretischer Perspektive wird deutlich, dass Konflikte stets sowohl destruktives als auch integratives Potential haben und die Artikulation widerstreitender Präferenzen zunächst einmal nichts beklagenswertes ist. Ob Konflikte integrativ wirken, hängt von der Verfügbarkeit adäquater und legitimer Mechanismen der Konfliktbearbeitung ab, die das destruktive Potential kanalisieren und zum Kompromiss beitragen. Solche Mechanismen können politischer, gesellschaftlicher oder rechtlicher Natur sein.
Trotz der zunehmenden Politisierung der europäischen Integration und trotz ihres transnationalen Charakters werden Solidaritätskonflikte in der EU derzeit vorwiegend vor nationalen Verfassungs- und Höchstgerichten verhandelt und entschieden. Verfassungs- und Höchstgerichte sind daher eine wichtige Instanz der Konfliktbearbeitung.
Aber stellt die gerichtliche Konfliktbearbeitung auch einen adäquaten und ausreichend inklusiven Mechanismus zur Bearbeitung der vorliegenden Konflikte dar?
In welchem Verhältnis steht gerichtliche Konfliktbearbeitung zu anderen, politischen Mechanismen der Konfliktbearbeitung in Europa?
Diese Fragen werden anhand der Entscheidungen von sechs Verfassungs- bzw. Höchstgerichten untersucht, die Geber- und Nehmerstaaten der aktuellen TSK repräsentieren (Spanien, Portugal, Griechenland, Irland, Italien, Deutschland). Zusätzlich werden Entscheidungen des EuGH und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) untersucht.
Das Projekt ist in sechs Teilprojekte gegliedert.
Anuscheh Farahat unterstützt Matthias Goldmanns Plädoyer für Corona Bonds
Kristina Schönfeldts Blogpost auf German Practice in International Law
Terea Violante und Rui T. Lanceiros Blogpost über Covid-19 in Portugal
Anuscheh Farahats Verfassungsblogbeitrag zur Corona-Krise
Anuscheh Farahat und Teresa Violante über Austerität und Verfassungsgerichtsbarkeit
Teresa Violante über die jüngste Entscheidung des Portugiesischen Verfassungsgerichts
Marius Hildebrand gemeinsam mit Astrid Séville und Conrad Lluis Martell auf Soziopolis
Teresa Violantes Einschätzung zur möglichen Einführung der Verfassungsbeschwerde in Portugal
Anuscheh Farahat über "Transformative Constitutionalism" auf dem Völkerrechtsblog
Marius Hildebrand über die Schweizerische Volkspartei als Avantgarde der Neuen Europäischen Rechten